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Projekt Elektro E30 - Teil 1: Einführung     29.07.2021

Der Umbau eines E30 auf Elektroantrieb geistert schon seit einigen Jahren in meinem Kopf herum. Sporadisch habe ich in der Vergangenheit die für die Nachrüstung zu Verfügung stehenden Komponenten im Rahmen einer Internet Recherche gecheckt und jedesmal frustiert abgebrochen. Das Problem war immer das gleiche. Die erzielbaren Leistungen waren überschaubar, die Reichweiten zu gering und der Preis im Verhaltnis dazu sehr hoch. Die Nachrüster scheinen keinen Zugriff auf echte Hightech Komponenten zu bekommen, wie dies renommierte Hersteller haben.

Seit 2013 sind zehntausende vollelektrische Fahrzeuge verkauft worden und einige davon sind Unfällen oder anderen Schicksalen zum Opfer gefallen, so daß vermehrt hochwertige gebrauchte Akkus und Motoren aus Nissan Leaf, Opel Ampera, BMW i3, Tesla Modellen gebraucht verfügbar sind. Im letzten Jahr sind zudem die Preise für diese Komponenten auf ein Niveau gesunken, die den Umbau eines Youngtimers mit diesen Teilen möglich erscheinen lassen.

Ich habe diese Antriebsart für einen Kurzstrecken E30 für den täglichen Bedarf ins Auge gefaßt und werde einen E30 auf Elektroantrieb umbauen. Viele Bereiche dieser Conversion sind auch für mich Neuland, ich werde meine Erkenntnisse direkt hier in entsprechenden Anleitungen niederschreiben. Begleitend gibt es bei Youtube entsprechende Videos über den Baufortschritt. Anregungen, Kritik und verbesserungsvorschläge sind immer gern gesehen.

Zunächst werde ich auf Grundlagen der Elektroantrieb-Nachrüstung und verschiedene Konzepte eingehen. Weiterhin ein kleiner Überblick auf schon bestehende Elektro Projekte, ich bin ja nicht der erste mit so einer Idee.


Konzeptvergleich

GM (GetriebeMotor)

Viele der bekannten E30, E36, Z3 mit Elektroantrieb haben das bewährte GM Konzept umgesetzt, bei dem der Elektromotor mittels Adapterplatte an das bestehende Schaltgetriebe geflanscht wird. Hierbei bleibt die Kupplung als stark beanspruchtes Bauteil erhalten. Getriebe, Kardanwelle und Differential werden als eigentlich überflüssiger Ballast im Auto umher gefahren. Mit Automatikgetrieben harmoniert ein Elektromotor nach Auskunft erfahrener Umbauer übrigens nicht gut.



Bei diesem Konzept sind Maschinenbauer gefordert um einen speziellen Mitnehmerflansch für den Elektromotor zur Aufnahme des Schwungrads sowie die Montageplatte zwischen Elektromotor und Getriebe herzustellen. Einen guten Namen für solche Umbauten hat sich die Firma Lorey Maschinenbau in Offenbach bei Frankfurt/Main gemacht.

Nachfolgend eine kleine Fahrzeugauswahl mit dem GM Prinzip umgebaut wurden:

Elektro E30 60kw - Die Werkstatt Falkenberg

Electric Z3 Blog

Fotoalbum eines Z3 Umbaus

AM (AchsMotor)

Aber es wäre doch schöner, wenn man den bekanntlich ab Leerlauf drehmomentstarken Elektromotor ohne Getriebe einfach an die Antriebsachse setzen könnte. TESLA geht bei seinen Fahrzeugen seit 2012 diesen Weg. Der Ansatz die Fahrzeuge möglichst wenig komplex werden zu lassen, führte zu einer integrierten Motor/Differential/Inverter Einheit (DriveUnit), die zwischen die Räder platziert wird.. Diese Antriebseinheit und die Akkus sind vermutlich die Hauptgründe warum das Modell S in Sachen Performance und Effizienz die Konkurrenz über Jahre immer wieder distanzieren konnte.



Im Jahr 2017 begann der Engländer Damian Maquire seinen BMW E31 850i mit einem TESLA Motor auszurüsten. Er führte ein Reverse-Engineering durch und entwickelte ein Austausch Logic Board für den TESLA Motor, womit er ohne TESLA Software und Fahrzeug völlig autark betrieben werden kann:

Webseite EVBMW.com
Open Inverter Forum - Support und Diskussionen rund um Damians Entwicklungen

Damit waren nun Elektrotechnik Profis weltweit in der Lage Umbaukits mit gebrauchten TESLA Motoren zu entwickeln. Zahlreiche Firmen auch in Europa bieten mittlerweile TESLA Conversion Kits und Ersatzteile an. Hier eine kleine Auswahl:

Zero EV
EV-SHOP.eu
EV-Europe
HSR Motors
EV West


Der E30 ist tatsächlich ein Fahrzeug, das sich aufgrund seiner Platzverhältnisse an der Hinterachse sehr gut für einen AchsMotor Umbau eignet. Jon Volk aus den USA war meines Wissens 2019 der erste, der sich traute und eine TESLA LDU (LargeDriveUnit) in sein E30 Cabrio baute:



Youtube Channel - Jon Volk - TESLA Bimmer

Bei diesem Umbau stand die Performance ganz klar im Vordergrund, weshalb auch der große TESLA Motor verbaut wurde, der zusammen mit zahlreichen Chevrolet Volt Akkus immerhin eine 11.05 auf der Viertelmeile hinlegte, was auf rund 450PS Maximalleistung hindeutet.


Der Plan

Ich werde mir eine passende E30 Karosserie besorgen, bevorzugt ein 4-Zylinder Cabrio oder einen Touring mit möglichst schlechtem Technikzustand und mittelmäßigem Blechzustand. Von solchen Fahrzeugen gibt es noch genug, die keiner haben will und sich bei eBay Kleinanzeigen die Reifen platt stehen. Damit sollten die nötigen Umbaumaßnahmen nicht so schwer fallen.

Im nächsten Step wird eine TESLA DriveUnit besorgt und mit einer Fahrsteuerung versehen. Die kleinste TESLA Einheit sollte völlig reichen, es soll kein Rennwagenprojekt werden.

Das Projekttagebuch wird zeitlich etwas der Projektrealität hinterher hinken. Also nicht wundern wenn es in der ein oder anderen Insta-Story schon mehr zu sehen gab, als hier nachzulesen ist.

Bevor der Umbau startet, müssen erstmal die graue Theorie recherchiert und sortiert werden. Hier eine kleine Übersicht der verbauten Komponenten in einem Nachrüst-Elektroauto:

Kernkomponenten Antrieb

Antriebsmotor
Herzstück des Elektroautos ist ein Elektromotor. Er treibt generell ein Getriebe an, weil die erzielbaren Drehzahlen etwa um den Faktor 9-10 untersetzt werden müssen um auf praxisgerechte Raddrehzahlen zu kommen. Wegen des schon bei niedrigen Drehzahlen hohen Drehmoments  kann in vielen Fällen auf eine weitere Untersetzung mit mehreren Gängen verzichtet werden. Generell werden zwei verschiedene Arten von Motoren eingesetzt.

Viele bekannte Elektroautos wie der BMW i3, Nissan Leaf und Porsche Taycan setzen auf Synchronmotoren. Sie sind kleiner und wirkungsgradstärker im Vergleich zu Asnychronmotoren, die bis vor kurzem fast ausschliesslich von Tesla verwender wurden. In der Praxis scheinen die Unterschiede keine große Relevanz zu haben.

Inverter
Die Antriebsmotoren werden generell mit 3-Phasen Wechselstrom betrieben. Die Akkus liefern jedoch Gleichstrom. Somit ist ein Inverter erforderlich, der aus dem Gleichstrom z.B. mit Hilfe von vielen leistungsstarken TO-247 MOSFET Transistoren dreiphasigen Wechselstrom generiert. Über die Frequenz des Wechselstroms kann die Drehzahl eingestellt werden. Der Inverter wird bei hohen Strömen, also starker Beschleunigung richtig heiss und muss daher in der Regel wassergekühlt werden.

Gaspedal
Der Inverter bekommt vom Controller die Werte des Pedalwertgebers übermitteln. Meist werden gedoppelte Potentiometer eingesetzt.

Bremslichtschalter
Ein wesentliches Pheripheriebauteile ist der Bremslichtschalter. Wird das Bremspedal betätigt, nimmt der Motor das Drehmoment zurück und kann je nach Betriebsmodi auch selbst eine mittelstarke Bremswirkung erzeugen (Rekuperation).

CAN Bus Controller
Ein Controller sorgt für die Übermittlung zahlreicher Parameter an den Inverter. Die wichtigsten sind sicherlich die gewünschten Fahrmodi:
  • D - Vorwärtsfahrt
  • N - Leerlauf (Motor dreht frei mit)
  • R - Rückwärtsfahrt
  • Rekuperation AN/AUS
  • Lastwunsch (Pedwalwertgeber)
Für einen TÜV konformen Einbau sollten noch folgende Funktionen realisiert werden:
  • Auswertung Türkontakt (N Schaltung bei Türöffnung)
  • Ansteuerung Bremslicht
  • Ansteuerung Rückfahrlicht
  • Ansteuerung diverser Kontrolleuchten im Cockpit
Alternativ zur OpenInverter Lösung, die die TESLA Software komplett entsorgt, besteht theoretisch auch die Möglichkeit dem Motor über CAN Bus ständig ein Model S vorzugaugeln. Ich habe mir mit  Marco Nolte von elektroumbau.com einen Profi ins Boot geholt, der diese Freischaltung des TESLA Motors in der Praxis bereits mehrfach erfolgreich umgesetzt hat.

Anstelle die TESLA Software durch Tausch des Logic Boards zu entfernen, simuliert Marco mittels eines Industrie CAN Bus Controllers weiterhin ein TESLA Fahrzeug. Interessant für mich ist, daß sämtliche TESLA Features bezüglich Sicherheitsmechanismen und Motoreffizenz voll erhalten bleibt. Der CAN Bus Controller besitzt noch diverse Ein- und Ausgänge und kann somit einige sinnvolle Anschlüsse für den praktikablen Betrieb im E30 bereitstellen.  Dazu in einem späteren Teil mehr.

Batterien

Neben dem Antrieb ist der Treibstoff natürlich die wichtigste Komponente. Der hier angestrebte Einsatz eines TESLA Motors erfordert hohe Spannungen im Bereich von 350-400V. Die Kapazität sollte über 20kWh liegen, damit mindestens 100km Reichweite erzielt werden können. Man kann ganz grob mit 200kg Batteriegewicht je 100km Reichweite rechnen.

Batteriemanagement

Das BatterieManagementSystem (BMS) stellt sicher, dass die Zellen nicht überlastet werden. Eine zu starke Entladung aber auch eine unvorteilhafte Überladung werden unterbunden. Es gibt hierbei einiges zu beachten. Sind die Akkus zu kalt dürfen sie nicht geladen werden. Werden Sie beim Laden zu heiss, muss entsprechend der Ladestrom reduziert werden. Werden die Akkus im Fahrbetrieb zu heiss, muss ebenfalls die Motorleistung reduziert werden. Das BMS muss also mit dem Motorcontroller und dem Ladegerät in Kommunikation stehen, um diesen Job wirklich perfekt lösen zu können.

Hochvoltsystem

Zwischen den Batterien, dem Inverter und dem Motor müssen die hohen Spannungen auf entsprechend massiv ausgeführten und orange markierten Leitungen transportiert werden. Mittels geeigneter Schütze (Relais für hohe Spannungen) erfolgt eine Abtrennung der Batterien vom Inverter, wenn das Fahrzeug nicht bewegt wird. Ein Vorladekreis sorgt für eine sanfte Aufladung der Kondensatoren im Inverter. Das erläutere ich später noch genauer.

Ladegeräte

Das Ladegerät lädt die Hochvolt (Antriebs) Batterien wieder auf. Man kann mehrere Ladegräte parallel schalten um ein schnelleres Aufladen zu ermöglichen. Wer mit dem Elektroauto auch unterwegs nachladen möchte sollte mindestens mit 20kW nachladen können. Damit können in ca. 1 Stunde Wartezeit wieder 100km nachgetankt werden.

Wer viel Kurzstrecke fährt und sein Elektroauto zu Hause über Nacht laden kann, dem reicht auch ein kostengünstiges und akkuschonendes 3,3-6,6kW Ladegerät.

Nebenkomponenten Antrieb

Kühlsystem
Der Motor, der Inverter und ggf. auch die Batterien werden über einen wasserbefüllten Kühlkreislauf gekühlt. Ein Kühler wird in die Frontmaske eingesetzt. Wegen der geringeren Abwärme kann er deutlich kleiner als beim Verbrenner dimensioniert werden.

Wasserpumpe
Mittels externer elektrischer 12V Wasserpumpe wird die Zirkulation der Kühlflüssigkeit sichergestellt.

Bremsanlage

Für die Bremskraftverstärkung wird ein elektrischer Bremskraftverstärker eingesetzt. BOSCH liefert ein geeignetes Bauteile in Form des iBoosters.

Alternativ kann auch eine HELLA Unterdruckpumpe genutzt werden, die einfach an den bestehenden BKV angeschlossen wird..

Lenkung

Aus der Mercedes A Klasse kann eine elektrische Servopumpe entnommen werden. Für den Anfang werde ich eine servolose Lenkung verwenden.

12V Bordnetz

Beim Elektroauto wird weiterhin ein 12V Bordnetz aufgebaut, mit einer klassischen kleinen Bleibatterie. Der TÜV fordert 8h lang eine von den Hochvoltbatterien unabhängige Warnblickbeleuchtung. Diverse 12V Fahrzeugelektrik aber auch das BMS und der Fahrsteuerungs-Controller benötigen 12V.

DC-DC Wandler

Das 12V Netz wird im Fahrbetrieb über einen DC-DC Wandler mittels der Hochvoltbatterien nachgeladen. Damit der DC-DC Wandler nicht zu schwer und teuer wird, macht es natürlich Sinn die Stromaufnahme der größeren 12V Verbraucher zu prüfen und ggf. zu reduzieren. Sitzheizung, Heckscheibenheizung würde ich vermeiden. LEDs sollte für einige Leuchten in Betracht gezogen werden.



tino@e30.de