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Michael: 735i E32



Hallo BMW-Fans,

ich möchte euch meinen E32 735i Automatik vorstellen. Mit dem E32 präsentierte BMW im 750i den ersten deutschen PKW 12-Zylinder Motor nach dem 2. Weltkrieg und schloss hinsichtlich Technik und Innovationen zu Mercedes Benz auf. Der E32 transportierte die Designlinie des E30 in die Oberklasse und galt stilistisch als ein großer Wurf.

Nachdem ich über ein Jahr mit mir selbst kämpfte ob es mit dem E32 neben zwei E39 ein dritter BMW sein musste, erlag ich dem Design final im April 2020. Nach einem E30 und einem E34 in früheren Zeiten musste es auch ein BMW aus dieser Design-Epoche sein. Es sollte bewusst ein Exemplar mit Automatik werden, um das „Oberklassefeeling“ voll auszukosten. Als Antrieb kristallisierte sich schnell der „M30“  als geschichtsträchtiger BMW-Motor heraus, der schon allein durch das Design des Ansaugluftsammlers polarisiert.

Der Zwölfzylinder wäre natürlich ultimativ gewesen, jedoch zu einem ordentlichen Zuschlag die Kosten betreffend. Bliebe noch der 8 Zylinder in der 3 und 4 Liter Variante, die es jedoch nur als Facelift gibt. Ich wollte jedoch ein Vorfacelift – der schmalen Niere wegen.



Ein in Berlin ausgesuchter E32 730i mit der wundervollen Farbe „kaschmirbeige“ wurde trotz Reservierungszusage des Händlers anderweitig verkauft – zu Hochzeiten der coronabedingten Ausgangssperre erschien mir eine Überführung mit roten Nummern als zu riskant.
Der zweite Anlauf betraf einen weißen 735i mit dunkelblauer Innenausstattung – eine traumhafte Farbkombination. Die Bilder und Beschreibung waren vielversprechend. Auf Nachfrage am Telefon offenbarte der seriös wirkende Verläufer, dass der Motor ab und an unruhig laufe.
Nach 600km Fahrt beim Fahrzeug angekommend stellte sich heraus, dass er nicht auf allen Zylindern lief. Das im Kofferraum liegende alte Zündgeschirr zeugte von den Instandsetzungsversuchen des Verkäufers – ohne Erfolg.

Die Ernüchterung war groß. Täglich aktualisierte ich meine Suchanfragen – ohne das sich etwas Neues ergab. Mich erfasste in jenen Tagen eine gewisse Torschusspanik. Andere Exemplare, die preislich außerhalb meines Limits lagen, waren relativ schnell verkauft. Ein weiterer 735i, der einen sehr guten Eindruck machte und mit dessen Verkäufer ich gut eine Stunde telefoniert hatte, wurde ebenfalls vor mir verkauft. Ein anderer Interessent hatte vor mir einen Termin gemacht und den E32 gleich mitgenommen – was für mich nicht überraschend kam.

So rief ich letztendlich bei jenem Verkäufer an, dessen Wagen ich dann auch kaufen sollte. Das Fahrzeug hatte ich bereits länger im Vorfeld in den Inseraten gefunden, ihn aufgrund der Felgen, die mich spontan an der Seriosität zweifeln ließen, aber keine weitere Beachtung geschenkt. Letztendlich erwies sich das ganze Fahrzeug samt Verkäufer als überaus seriös und in einem guten Zustand – der Kauf war binnen 2 Stunden besiegelt.

Der Wagen hat eine Laufleistung von 220.000km und ich bin der 6. (!) Besitzer. Dass der E32 durch so viele Hände gegangen ist, scheint fast unglaubwürdig. Das Interieur weißt keinerlei Verschleißspuren auf und der Lack präsentiert sich in einem sehr guten Zustand für ein 29 Jahre altes Fahrzeug. Im Bereich der hinteren Radläufe ist bereits nachlackiert wurden, was aber für meine Begriffe sehr gut ausgeführt wurde und mich nicht stört – im Gegenteil. Bei der Farbe handelt es sich um den Ton „Granitsilber“, was je nach Licht recht dunkel und fast grau wirkt. Zu Beginn fand ich die Farbe sehr unscheinbar, mittlerweile gefällt sie mir recht gut. Auch die Felgen, ich denke es handelt sich hier um Repliken der E36 M3 Felgen, habe ich mir schön gesehen. Das Tiefbett harmoniert sehr schön mit der leicht aggressiven Front. Montiert sind 235 vorn und 255 hinten auf 17 Zoll.



Das Versprechen der „Freude am Fahren“ löst der BMW sofort ein. Der E32 gibt sich verglichen mit seiner Größe sehr handlich und fahraktiv. Dazu trägt auch die grandiose Rundumsicht bei. Überhaupt wirkt der Wagen in der heutigen Zeit viel kleiner als damals vor 30 Jahren.
Einzig von der Automatik bin ich etwas enttäuscht. Die Schaltpunkte sind unglücklich, da in meinen Augen zu spät gewählt. Der 4. (und letzte) Gang wird beispielsweise bei 60 km/h eingelegt. In der Ortschaft mit STVO-konformen 50 km/h im 3. Gang  mit knapp unter 2000 Touren zu fahren passt weder zu Motor noch zu Fahrzeug. Also bleibt nur kurz auf 60km/h beschleunigen und dann auf gut 55 zurück fallen lassen.
Die Wandlerüberbrückungskupplung schließt bei 90km/h und öffnet bereits bei gut 80km/h wieder – in meinen Augen viel zu spät bzw. zu früh.  So nervt auf engeren Landstrassen das Gejaule des Wandlers statt den satten Durchzug im hohen Gang zu genießen.
Alternativ kann die Automatik in den „Sportmodus“ (es wird eine andere Kennlinie der Schaltpunkte hinterlegt, mehr nicht 😉) befördert werden und man bleibt hier länger im 3. Gang. Anfangs von mir beflissentlich ignoriert, hatte ich neulich damit unerwartet viel Spaß. BMW hat auch den 7er bewusst und deutlich fahraktiv ausgelegt. Ein aktueller 3er BMW wiegt ja auch genau so viel…



Auf der Autobahn ist der 7er endgültig in seinem Element. Hier sei einzig angemerkt, dass der Kickdown sehr schwer bis gar nicht zu „ertasten“ ist und auch hier erst ab höheren Drehzahlen, wenn nicht mehr zurück geschaltet werden kann, der Durchzug voll ausgekostet werden kann.
Wenngleich sich die Souveränität im Vergleich zu vor 30 Jahren mehr als relativiert hat (150 PS Diesel-Gölfe zwingen zum Kickdown bzw. werden erst ab 200 km/h langsam distanziert) ist es großes Kino mit dem 7er auf Reisen zu gehen. Insbesondere der Federungskomfort zeigt die Abstammung aus der Oberklasse. Das Abrollverhalten sowie die Strassenlage können als sehr gut bzw. immer noch zeitgemäß beschrieben werden. Dazu kommt eine sehr gute Ergonomie des Cockpits – es ist ja quasi ein verbreiterter E30. Eingetragene Höchstgeschwindigkeit sind 230km/h, die der 7er mit vom GPS abgelesenen 231km/h erreicht. Eine entspannte und gleichzeitig fahraktive Reisegeschwindigkeit mit sehr schön präsenten Motorklang ist um die 200km/h bei einer Drehzahl von ca. 4500 U/min.



Mir ist aufgefallen, dass der E32 von anderen Verkehrsteilnehmern bewusst wahrgenommen wird – und das durchweg positiv. Bereits mehrmals wurde ich an der Tankstelle auf das Fahrzeug angesprochen oder von anderen Verkehrsteilnehmern mit „Daumen hoch“ o.Ä. begrüsst.
Schon auf der Rückreise vom Kauf wurde der 7er mit „Daumen hoch“ aus einem W124 Mercedes Benz heraus bedacht, dessen 4 Insassen allesamt jünger waren als der BMW.

Abschließend sei noch der Vergleich zu meinen beiden E39, ein 535i und ein 523i, beide mit Schaltgetriebe, gezogen. Die Fahrleistungen des 735i entsprechen etwa denen des 523i. Der Verbrauch des 7ers liegt mit knapp über 12 Litern leicht über dem des 535i. Der Durchzug des V8 im 535i ist aus niedrigen Drehzahlen trotz gleichen Hubraums, nominell nur 15Nm mehr Drehmoment und einer ähnlichen Übersetzung eine andere Welt zugunsten des 535i. Klar in Führung geht der 7er bei der Anmutung der Innenraummaterialien, insbesondere der Sitze. Diese wirken deutlich hochwertiger als jene im E39. Platztechnisch nehmen sich beide nichts, im E39 sitzt man deutlich abgeschirmter und „isolierter“, im E32 freizügiger und irgendwie gediegner. Der E39 wirkt eine ganze Epoche moderner und „synthetischer“ aber auch technisch deutlich besser.



Der 7er wird mit Saison-Kennzeichen von April bis September bewegt und spielt ganz bewusst die Rolle des Sonntagsfahrzeugs. Es ist jedes Mal eine Freude mit diesem Fahrzeug umzugehen.

Freude am Fahren wünscht

Micha